Die 2019 aufgedeckten unfassbaren Misshandlungen von Tieren und Manipulationen im LPT (heute Provivo Biosciences) Tierversuchslabor Mienenbüttel in unserer Gemeinde führten im Januar 2020 zu dessen Schließung. Nicht nur Tierschützer, sondern auch eine breite Öffentlichkeit und die Politik wurden von den Bildern gequälter Hunde, Katzen und Affen aufgerüttelt.

Fast 3 Millionen Tiere sterben jedes Jahr in Deutschland in Tierversuchen. Ein Vielfaches stirbt zusätzlich bereits in der Zucht. Schon seit Jahrzehnten prangern seriöse Tierschutzorganisationen und Initiativen das sinnlose Leid der Tiere an.

Dazu die bundesweite Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche e. V.":
„Keine andere wissenschaftliche Methode ist so unzuverlässig und unberechenbar wie der Tierversuch. Ob ein Tier, und wenn ja welche Tierart, genauso auf eine Substanz reagiert wie der Mensch, weiß man immer erst nach der Prüfung am Menschen. Tierversuche sind nie validiert (also auf ihre Gültigkeit überprüft) worden, gelten aber seit Jahrzehnten als Goldstandard in der biomedizinischen Wissenschaft. Das gibt es sonst nirgendwo, warum wird es im so wichtigen Gebiet Gesundheit akzeptiert?

Neue Therapien müssen nach den Tierversuchen – in sogenannten klinischen Studien – am Menschen auf ihre Sicherheit und Wirksamkeit getestet werden. Aufgrund der schlechten Übertragbarkeit der auf Tierversuche gestützten Ergebnisse auf den Menschen, stellt dieser Schritt aber ein unkalkulierbares und damit höchst unethisches Risiko dar. Das erkennen mittlerweile auch immer mehr Forscher. Konkret scheitern 92,5 - 95 % aller Medikamente, die sich im Tierversuch als wirksam und unbedenklich erwiesen haben, in den anschließenden klinischen Phasen 1-3 am Menschen. Und dies, weil sie entweder nicht wirken oder hochgradige Nebenwirkungen zeigen."

Etwa 900 Tierversuchseinrichtungen in Deutschland listet der Verein „Ärzte gegen Tierversuche e. V.“ in einer aktuellen Datenbank auf.

Trotz Tierschutzgesetz und dem seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankerten Tierschutz gibt es bis heute keinen generellen moralisch-ethischen und mitfühlenden Umgang mit Tieren in unserer Gesellschaft. Es finden sich immer noch ausreichend „vernünftige Gründe", diese Gesetze auszuhebeln. Wobei man die „vernünftigen Gründe" getrost mit den Worten „wirtschaftliche Interessen" und/oder „Renommee" austauschen kann. Es ist an der Zeit, gesellschaftliches Handeln zu hinterfragen, Tierleid, wo immer es durch Menschen verursacht wird, zu ächten, gesetzlich zu verbieten und Zuwiderhandlungen unter adäquate Strafe zu stellen.

Vor diesem Hintergrund wurde im Bundestag eine Ausschuss-übergreifende SPD-Arbeitsgruppe „Tierversuche“ gegründet, die sich für einen wissenschaftlich durchdachten Ausstieg aus dem Tierversuch ausspricht. Dazu unsere Bundestagsabgeordnete und Mitinitiatorin Svenja Stadler: „Wir wollen Tierversuche langfristig durch innovative wissenschaftliche Alternativen ersetzen. Und noch viel breiter: Die SPD-Bundestagsfraktion macht sich für eine Gesellschaft stark, in der Fortschritt nicht auf dem Leid von Lebewesen basiert." Ein aktuelles Positionspapier verdeutlicht, wie das gehen kann: „Zum Beispiel müssen wir die Förderung von Alternativen zu Tierversuchen erheblich ausweiten."

Als erster Erfolg auf Bundesebene konnte erreicht werden, dass das Forschungsministerium 3 Mio. Euro bereitstellt, um eine nationale Plattform für Tierversuch-Ersatzmethoden zu entwickeln. Dazu Svenja Stadler: „Beispielsweise soll diese Plattform Genehmigungsbehörden dabei helfen, im Falle eines Antrags für einen neuen Tierversuch einfach prüfen zu können, ob auch eine tierversuchsfreie Alternative anwendbar ist.

Eine solch strategisch angelegte Plattform für Alternativmethoden ist ein wirksamer Schritt für mehr Tierschutz und ein wichtiges Signal auf dem langen und nicht ganz einfachen Weg hin zu einer tierversuchsfreien Gesellschaft. Das ist unser Ziel. Für den perspektivischen Ausstieg aus den Tierversuchen werden wir eine Gesamtplanung aufsetzen und die Entwicklung von tierversuchsfreien Verfahren stärker fördern."

Auch in Niedersachsen unterstützt die SPD Landtagsfraktion den sukzessiven Ausstieg aus dem Tierversuch. Ein Antrag mit dem Ziel, die EU Tierversuchsrichtlinie konsequent umzusetzen, wurde kürzlich vom Niedersächsischen Landtag angenommen. „Über die Umsetzung der Richtlinie soll die Anzahl der für Versuche verwendeten Tiere auf ein Minimum reduziert und, soweit möglich, auf alternative tierfreie Methoden zurückgegriffen werden," erläutert Kerstin Liebelt, Sprecherin für Tierschutzpolitik der niedersächsischen SPD Landtagsfraktion, den Antrag. „Wichtige Bausteine hierfür sind die Forderungen an die Bundesebene: zum einen, dass jeder geplante Tierversuch genehmigungspflichtig und nicht nur anzeigepflichtig sein muss, wie es zum Teil noch der Fall ist. Zum anderen soll an geeigneter Stelle eine zentrale Datenbank dauerhaft eingerichtet und gepflegt werden, in der zentral verfügbare tierfreie Alternativverfahren digital erfasst und dargestellt werden sollen."

Weiterhin soll in Niedersachsen die Frequenz der Kontrollen von Tierversuchs-Einrichtungen erhöht werden. Insbesondere soll es auch unangekündigte Kontrollen geben.

Zusätzlich wurde nach den Vorkommnissen im LPT Tierversuchslabor Mienenbüttel festgelegt, nicht nur die Kontrolle und Genehmigung von Tierversuchen, sondern auch die regelmäßige Überprüfung von Tierversuchs-Einrichtungen selbst komplett in die Hände des LAVES (Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) zu legen.

In Niedersachsen sollen tierfreie Forschungsprojekte weiterhin gefördert und ein Forschungspreis soll zur Förderung von Alternativen zu Tierversuchen initiiert werden. Kerstin Liebelt: „In Zukunft sollen keine Tiere mehr zu Versuchszwecken eingesetzt werden müssen. Mit jedem Tier, das nicht für Tierversuche benutzt wird, wird ein Schritt in die richtige Richtung getan. Unser Ziel ist es, eine Zukunft ohne Tierversuche zu gestalten. Das sind wir unseren Mitgeschöpfen schuldig."

Als Gemeinde haben wir keinen direkten Einfluss auf die entsprechende Gesetzgebung. Trotzdem liegt es uns am Herzen, Zustände wie in Mienenbüttel zukünftig zu verhindern und innerparteilich und überregional den Ausstieg aus dem Tierversuch nach Kräften weiterhin zu unterstützen.