„Werden jetzt Gesundheitskosten mit Krediten des Bundes finanziert?“
Diese Frage stellte SPD-Vorsitzender Tony Gugenheimer. „Ja, nur leider sollen die Versicherten sie bezahlen“, sagt Jürgen Wolthausen, Gesundheitspolitik-Experte in der SPD Neu Wulmstorf.
Tony: Ich lese in der Presse, dass die finanzielle Lage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sich zuspitzt. Die Gesetzliche Krankenversicherung schloss 2024 mit einem Gesamtdefizit von etwa 6,2 Milliarden Euro ab. Mitte Mai gab der Bund dem Gesundheitsfonds kurzfristig 800 Millionen Euro. Müssen wir alle jetzt noch höhere KV-Beiträge bezahlen? Oder was ist hier Sache?
Jürgen: Viele Krankenkassen haben ihre Zusatzbeiträge bereits erhöht, im Durchschnitt auf 2,5 Prozent. Aber anstatt strukturell gegenzusteuern, setzt Gesundheitsministerin Warken auf Notmaßnahmen und auf Verschiebung. Tatsächlich soll die GKV die bisher gewährten 2,3 Milliarden Euro nur als Darlehen erhalten, nicht als Zuschuss. Und für 2026 ist nochmal dasselbe vorgesehen.
Tony: Verstehe ich das richtig? Was eigentlich aus dem Bundeshaushalt in den Gesundheitsfonds als Zuschuss gezahlt werden sollte, tragen die Versicherten aus ihren Beiträgen nun selbst?
Jürgen: So sieht es aus. Die Kredite helfen der GKV vorübergehend, die Finanzen zu stabilisieren. Die Bundesregierung verschiebt die Unterfinanzierung der GKV damit aber nur in die Zukunft. Wir haben in der GKV einen lange bekannten Reformstau. Die GKV musste und muss viele Kosten der Gesundheitsversorgung tragen, die aus Steuermitteln zu tragen wären, weil es eben gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind.
Tony: Was meinst Du damit? Als Lehrer kenne ich natürlich Schulen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Jürgen: Dazu gehören zum Beispiel die Behandlungskosten für Bürgergeldempfänger. Die Ausgaben hierfür liegen jährlich10 Milliarden Euro höher als die vom Bund vorgenommenen Erstattungen. Dieses Verfahren ist auch verfassungsrechtlich nicht haltbar. Teile der Gesundheitskosten für die Altenpflege oder auch hohe Kosten, die noch aus der Coronazeit übriggeblieben sind. Und die gesetzlichen Kassen haben höhere Lasten als die privaten, weil bei ihnen die Menschen mit den geringeren Einkommen versichert sind. Man weiß ja, dass damit höhere Krankheitsrisiken verbunden sind. In den ersten Monaten des Jahres 2025 sind zum Beispiel die Arzneimittelkosten und Krankenhauskosten wieder dramatisch gestiegen. Hier darf der Bund nicht weiter tatenlos zusehen, sondern müsste schnellstmöglich Abhilfe schaffen. In jedem Fall sollte kurzfristig gesetzlich festgelegt werden, dass die Ausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht stärker steigen dürfen als die Einnahmen.
Tony: Welche Rolle spielt denn da die Private Krankenversicherung? Ist die denn hier überhaupt nicht beteiligt?
Jürgen: Absolut richtig. Höhere Arzneimittelkosten sowie auch Krankenhauskosten spielen da zwar auch eine Rolle, werden aber dort in einem geschlossenen System ggfs. durch Beitragsanpassungen aufgefangen. Es gab und gibt immer wieder Debatten, ob die Private Krankenversicherung sich an den Kosten solidarischer Gesundheitsfinanzierung beteiligen soll, zum Beispiel durch Solidarbeiträge von PKV – Versicherten zur Stabilisierung des GKV-Systems oder durch die Einführung einer Bürgerversicherung (alle zahlen in einen gemeinsamen Gesundheitsfonds ein). Finanziell würde sich das immer lohnen, da in der PKV sind überwiegend Menschen mit höheren Einkommen versichert.
Tony: Lässt sich das denn ändern? Es hört sich immer so unvermeidlich und folgerichtig an, dass die Krankenkasse eben die Gesundheitskosten trägt.
Jürgen: Na ja, zum einen soll es eine Reformkommission geben, die ab 2027 konkrete Vorschläge vorlegt. Man verschafft sich politisch also erst einmal Zeit und setzt die Kassen, also auch die Versicherten, damit unter Druck. Zum anderen liegen die Lösungen längst auf dem Tisch. Sie sind aber eben „nur“ unpopulär und werden daher nicht angegangen.
Tony: Und was wäre das Richtige aus Deiner fachlichen Sicht?
Jürgen: Ein deutlich angepasster Bundeszuschuss (bisher 14,5 Mrd. Euro), eben wie gesagt, die vollständige Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus Steuermitteln. Und natürlich die solidarische Bürgerversicherung, in die alle Menschen einzahlen.
Tony: Und verstehe ich es richtig: Der Bund kommt hier seinen gesamtgesellschaftlichen Pflichten nicht ausreichend nach, dann sind das doch die Schulden des Bundes?
Jürgen: So könnte man es ausdrücken. So rechnet man sich Defizite im Gesamthaushalt zu Lasten der gesetzlich Krankenversicherten schön.
Tony: Dieser Keks ist also, wie man so schön sagt, noch nicht gegessen. Vielen Dank für Deine interessante Erklärung.
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Jürgen Wolthausen war in leitender Position bei der DAK Gesundheit und setzte sich Zeit seines Berufslebens als ehrenamtlicher Gewerkschafter sozialpolitisch für eine gerechte Finanzierung der Krankenversicherungen ein.
 

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