Betrachtung zur Situation der Pflege in Neu Wulmstorf und bundesweit - ein Beitrag unserer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Hannelore Buls

Neu Wulmstorf mit Versorgungslücke in der Pflege

Solange alle in der Familie gesund sind, ist es höchstens eine grundsätzliche Frage, ob es vor Ort ein Pflegeheim oder ambulante und haushaltsnahe Dienste gibt. Trotzdem sind kürzlich wohl in Neu Wulmstorf fast alle von uns zusammengezuckt. Die Presse meldete, dass auch das dritte Pflegeheim „Moorlanden“ geschlossen wird.

In Neu Wulmstorf werden wir erst nach der Fertigstellung des Projekts am Bahnhof wieder eine Seniorenwohnanlage haben. Aus Berichten von Angehörigen wissen wir zudem, dass die hiesigen ambulanten Pflegedienste überlastet sind, das Personal fehlt, neue Kunden werden nicht mehr angenommen und der Pflegebedarf fällt auf die Familien, also vor allem wieder auf die Frauen zurück.

  • Eine beeindruckende Versorgungslücke in der Pflege wird sichtbar!

Reguläre Betriebsaufgabe im Pflegeheim?

Man fragt sich fast automatisch: Wie kann das sein? Kommerzielle Pflegeangebote sollten laut der Pflegeversicherung von 1995 die Lösung sein, um den Bedarf professionell zu decken. Der Markt sollte es richten. Damit verknüpft ist, dass es sich um Investitionen handelt, die mit unternehmerischen Renditeerwartungen verknüpft sind.

Die Praxis vor Ort zeigt: Anscheinend sind zwanzig Jahre die Amortisationszeit für von Konzernen betriebene Seniorenanlagen, wonach sich die Sanierung nicht mehr lohnt. Die Karawane zieht weiter. Heimbewohner nach Lüneburg oder Rotenburg zu verlegen, wird anscheinend als Kollateralschaden behandelt – Pech gehabt. Bei der Schließung des Hauses Moorlanden entsteht leider wieder dieser Eindruck für die Öffentlichkeit, ebenso wie bei der (ganz normalen?) Betriebsaufgabe desselben Betreiber-Konzerns vor drei Jahren am Marktplatz.

  • Gewinnerwartung darf über Pflegeversorgung nicht entscheiden!

Das Rathaus sollte es richten. Geht das überhaupt?

Heimbeirat, Angehörige und auch Angestellte des Betreibers, die die Misere noch verhindern wollten, wandten sich an die Politik. Die Schließung kann jedoch nicht politisch verhindert werden. Rathaus und Kommunalpolitik sind leider nicht für kommerziell betriebene Pflegeheime zuständig.

Nach § 4 des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes gehören Gesundheit, Pflege und Altenhilfe nicht zu den Pflichtaufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge sondern nur zu den sogenannten freiwilligen Aufgaben. Die soziale Daseinsvorsorge kann also erst behandelt werden, wenn es Ratsbeschlüsse dazu gibt und vor allem entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stehen. Um eine soziale Pflegeversorgung zu gewährleisten, sollte Pflege wieder der sozialen Daseinsvorsorge zugerechnet werden

  • Für die Pflegeversorgung müssen soziale Kriterien auch anwendbar sein!

Konservative Gesundheitspolitik aus 1995 wirkt bis heute nach

Die Pflegeversicherung legte fest, dass die Pflegeangebote zur Unterstützung der Laienpflege kommerziell oder von entsprechend arbeitenden Wohlfahrtsorganisationen zu erbringen und abzurechnen sind. So ist die professionelle „Pflegelandschaft“ eine Angelegenheit des Pflegemarktes geworden, wenn auch mit genehmigter Preisgestaltung. Für Ansiedlung und Schließung von Betrieben gilt aber wie überall in der Wirtschaft das Entscheidungsrecht der Unternehmen. Vor dem Hintergrund der Pflege-Versorgungslücke erscheint die rein kommerzielle Erbringung jedoch als Fehlplanung.

Die Kommune kommt bei Pflegeangeboten erst ins Blickfeld, wenn Bau und Planung betroffen sind. Ihre zweite Zuständigkeit besteht im individuellen Bereich, wenn die Betroffenen die Zuzahlungen nicht mehr leisten können, so dass Sozialgeld und Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch XII beantragt werden müssen. Aus der Lücke dazwischen entsteht ein Bereich, der der kommunalen Regelungskompetenz weitgehend entzogen ist.

  • Die Privatisierungswelle aus den neunziger Jahren wirkt bis heute bei der Pflege nach!

Fazit: Die soziale Daseinsvorsorge für Gesundheit, Pflege und Altenhilfe muss künftig so im Gesetz gestaltet werden, dass die Kommunalpolitik sie auch ausüben und steuern kann.